Die kalte Jahreszeit hat ihre eigenen Vorzüge, wenn ich das mal so sagen darf. Sie sind nicht so offensichtlich wie die des Sommers, aber es gibt sie. Vor allem wenn man, so wie ich, zur Melancholie neigt. Die Wintermonate geben einem die Gelegenheit, sich so richtig darin zu suhlen und wir dürfen ohne Schuldgefühle auch mal eine trübe Mine aufsetzen und die Abende zu Hause verbringen. Was ist diese Melancholie, die wir doch auch manchmal heimlich geniessen, wenn wir ehrlich sind? Die Beste Definition von Melancholie, die ich bisher gehört habe, ist: «Melancholie, ist die Freude, traurig zu sein.» Ein wunderbarer Satz, der das Lebensgefühl des Melancholikers wunderbar auf den Punkt bringt. Aber Vorsicht, der Grat zur Schwermut ist schmal, wir wollen ja nicht in einer Winterdepression enden. Das traurige hat einfach eine besondere Schönheit und Erhabenheit. Es sind die traurigen Lieder, die uns berühren und uns im Innersten treffen, nicht die Aprés-Ski Partyhits.
Michelangelos Pietà bringt das menschliche Dasein treffender in seiner ganzen Tiefe zum Ausdruck als die bunten, tanzenden Figuren eines Keith Haring. Der christliche Glaube nimmt das Leiden ins Zentrum, versucht es nicht zu umgehen, sondern wir sind aufgefordert unser Kreuz, unsere je eigene Tragödie und die Trauer zu umarmen. Nicht davonzulaufen, wie die Apostel es, mehr als verständlicherweise taten, in der Hoffnung solch einem grausamen Schicksal zu entgehen. Es nutzte nichts, wie wir wissen. Sie wurden davon eingeholt, konnten aber ihr eigenes Leiden anders annehmen und mit den Leiden ihres Herrn verbinden, nachdem sie dem auferstandenen Begegnet sind. Das ist ein entscheidender Vorteil jener, die A.D. geboren sind. Das Kreuz steht da. Für jeden einzelnen von uns, wir können es nicht umgehen, vermeiden oder verhindern, höchstens ein wenig aufschieben. An Allerheiligen gedenken wir jener, die den Weg schon vorausgegangen und zu Ende gegangen sind. Ihre Gräber werden von vielen kleinen Kerzen erleuchtet, in denen die Hoffnung schimmert.
Joža Tadić