Ich bin ehrlich gesagt sehr schlecht im Verzichten… und doch ist der Aschermittwochsgottesdienst, der Beginn der Fastenzeit, einer meiner Lieblingsgottesdienste im Jahreskreis. Die Endlichkeit des irdischen Daseins, wird uns dabei ohne Umschweife vor Augen geführt. Es wird nicht mehr um den heissen Brei geredet, sondern Tacheles: Gott hat unserer irdischen Existenz Grenzen gesetzt. Weil Grenzen auch etwas Gutes sind. Sie geben uns eine Form und ohne Form, keine Klarheit und ohne Klarheit keine Schönheit und ohne Schönheit keine Wahrheit. Gerade jetzt, nach dem die Massnahmen fallen und wir uns wieder kopfüber in unser schrankenfreies Leben stürzen möchten, sollen wir also gleich wieder fasten? Wie gesagt, bin ich kein Mensch, der gut verzichten kann. Die vergangenen zwei Jahre haben auch mir einiges abverlangt. Und doch hatte dieses durch Massnahmen auferlegte Fasten auch etwas Klärendes, Reinigendes. Es wurde deutlich, dass wir eben nicht unverwundbar sind und wir recht schnell an unsere Grenzen kommen. Nun ist dieses von Aussen auferlegte Fasten vorbei. Wir können durchatmen. Und diese Erfahrung vielleicht auch nutzen, um ein neues Fasten zu entdecken. Fasten hat bei uns oft auch einen Touch von „Diät“ machen. Man hört ja hie und da, dass jemand in der Fastenzeit auf dieses oder jenes Nahrungsmittel verzichtet, und so gleich noch etwas für seine Figur tut. Ist ja eigentlich auch ganz gut terminiert, die Fastenzeit, so kurz vor dem Sommer. Ich schlage dieses Jahr etwas anderes vor: Fasten wir doch an bösen Worten und Gehässigkeit, seien wir freundlich zueinander. Fasten wir an schlechten Gedanken und Pessimismus und lächeln einander an. Fasten wir an unserem Stolz und versuchen besser zuzuhören. Fasten wir an unserem Selbstmitleid und versuchen dankbarer zu sein.
Denn JETZT ist die Zeit uns eine Form zu geben.

Joža Tadić