Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.

Und in den Nächten fällt die schwere Erde
Aus allen Sternen in die Einsamkeit.

Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh die andre an: es ist in allen.

Und doch ist Einer, welcher diese Fallen
Unendlich sanft in seinen Händen hält.

Rainer Maria Rilke aus: Das Buch der Bilder

Auf poetische Weise erinnert uns der Dichter Rainer Maria Rilke an eine Realität, die wir manchmal gerne verdrängen. Das Leben, so schön und leicht oder so schwierig und herausfordernd es auch sein mag, die Natur lehrt uns in diesen Tagen, dass auf jede Blüte das Vergehen folgt. Wir möchten uns gerne festhalten, wie die Blätter am Baum, doch fast lautlos fällt das Blatt - durch ein leises Klicken löst es sich vom Zweig und fällt sanft zur Erde. Zahllos sind die menschlichen Leben, die bereits gelebt wurden und schon vergangen sind und die, die noch gelebt werden- zahllos wie die Blätter. Und noch viele werden nach uns kommen und doch, im Moment der Geburt tragen wir das Vergehen schon in uns.
Das Fest Allerheiligen erinnert uns an die vielen namenlosen, aber auch bekannten Heiligen. An Allerseelen denken wir besonders an unsere Angehörigen und Freunde, die uns vorangegangen sind. Die Schöpfung führt uns immer wieder die Schönheit des Werdens, aber auch des Vergehens vor Augen. Dennoch dürfen wir dabei im Glauben auf ein neues, unvergängliches Leben bei Gott hoffen. Der Evangelist Johannes sah dies in einer Vision und beschrieb es im Buch der Offenbarung, dem letzten Buch der Bibel so: „Dann sah ich einen neuen Himmel und eine neue Erde. Und er, Gott, wird bei ihnen sein. Er wird alle Tränen von ihren Augen abwischen: Der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal.“ (Offb 21, 1. 3-4)

Corinna Vorwieger